In unserer Alltagserfahrung sind wir nahezu immer mit (mehr)farbigen Gegenst\u00e4nden konfrontiert und identifizieren sie nicht zuletzt aufgrund ihrer Farbigkeit \u2013 auch in ihren bildlichen Darstellungen. Farbigkeit kann, so nehmen wir deshalb an, nicht ohne einen Gegenstand existieren.<\/span> Andererseits wissen wir, dass nat\u00fcrliche Gegenst\u00e4nde wie Artefakte auch ohne Farbigkeit existieren oder eine andere Farbigkeit haben bzw. annehmen k\u00f6nnen und dennoch dieselben bleiben und sich \u2013 wie im Dunkeln \u2013 durch Ber\u00fchrung als solche identifizieren lassen. Unter lebenspraktischen Bedingungen erscheint uns Farbigkeit daher eine nur akzidentielle Eigenschaft der Dinge zu sein.<\/p>\nGanz im Gegensatz dazu erfahren wir mit den Gem\u00e4lden von Christiane Conrad Farbigkeit als eine eigene Qualit\u00e4t. Dies resultiert nicht allein aus dem Umstand, dass die Bilder ohne Bezug auf etwas Au\u00dferbildliches oder Gegenst\u00e4ndliches auftreten, und r\u00fchrt auch nicht nur daher, dass sie als von einem einzigen Farbton bestimmte Fl\u00e4chen erscheinen. Vielmehr kommt die eigene Qualit\u00e4t der Farbigkeit hier vor allem durch Malerei zur Anschauung. Sie resultiert aus dem besonderen Umgang mit dem Farbmaterial, einer Arbeit, die die Hervorbringung seiner Eigenschaft, seiner spezifischen Farbigkeit, zum Ziel hat.<\/p>\n
In den Gem\u00e4lden der K\u00fcnstlerin ist Farbe als Materie, als bearbeiteter Stoff ausgesprochen pr\u00e4sent: Die Bilder erscheinen nicht als farbige Gegenst\u00e4nde, sondern wirken als ein Gegen\u00fcber, das mit Farbe bearbeitet wurde. Bei der Betrachtung der Gem\u00e4lde sehen wir uns mit diesem Arbeitsprozess konfrontiert, ja glauben, die immer wieder ausge\u00fcbte, gestisch anmutende Bewegung, mit der die Christiane Conrad das farbige Material auf der Bildfl\u00e4che appliziert, geradezu ersp\u00fcren zu k\u00f6nnen. In diesem Wahrnehmungsakt rekonstruieren wir aber unwillk\u00fcrlich, dass und wie durch den wiederholten Farbauftrag ein flacher Farbk\u00f6rper entsteht, unter dem der Bildtr\u00e4ger zu verschwinden scheint und der insbesondere da erfahrbar wird, wo das Farbmaterial \u00fcber die Bildr\u00e4nder hinausragt.<\/p>\n
Dass das Sehen bei der Betrachtung dieser Gem\u00e4lde derart engagiert wird, hat aber mit ihrer offenen Binnenstruktur zu tun, die den Malprozess nachvollziehen l\u00e4sst und das Farbmaterial in zwei sehr unterschiedlichen Modalit\u00e4ten zur Anschauung bringt. So ist das Bildfeld einerseits von vertikalen Spachtelz\u00fcgen gepr\u00e4gt, die in Relation zur Gr\u00f6\u00dfe des Bildes und bestimmt von der Breite der Malwerkzeuge in unterschiedlicher Anzahl, doch gleichm\u00e4\u00dfig-rhythmisch angelegt sind und sich jeweils \u00fcber das ganze Bildfeld erstrecken. Erscheint die Farbe hier als glatt ausgezogene Farbmasse, also im Modus einer kontrollierbaren Materie, so tritt sie andererseits, als Folge dieser malerischen Aktion, zugleich auch im Modus des Nicht-Kontrollierbaren auf; denn das Glattausziehen der Farbe l\u00e4sst aus dem f\u00fcr diese Aktion \u00fcbersch\u00fcssigen Material an den Seiten der streifenf\u00f6rmigen Bahnen mehr oder weniger erhabene Grate aus dem Farbmaterial entstehen, die im Unterschied zu diesen eine unregelm\u00e4\u00dfige, vielfach unterbrochene, haptische Struktur im Bildfeld etablieren.<\/p>\n
Auch wenn diese haptische Struktur der Gem\u00e4lde als Folge der flach angelegten Spachtelz\u00fcge erkl\u00e4rt werden kann, so hat sie dennoch einen eigenst\u00e4ndigen Charakter, den die Malerin in ihren verschiedenen Gem\u00e4lden mehr oder weniger stark hervortreten l\u00e4sst. In jedem Fall entsteht aber ein komplexes Gef\u00fcge aus den zwei sich zwar einander bedingenden, doch wie unabh\u00e4ngig miteinander agierenden bildlichen Strukturen, in dem die besondere Qualit\u00e4t der Farbe in unterschiedlicher Weise zur Anschauung kommt. So wirkt sie in den flachen Bildpartien h\u00e4ufig eher stumpf und trocken, verschluckt sozusagen das Licht, w\u00e4hrend die haptischen Bildelemente es eher reflektieren und gl\u00e4nzen k\u00f6nnen. Zudem bewirkt der zwischen dem Flachen und Erhabenen wechselnde Rhythmus der Gem\u00e4lde eine differenzierte, je nach Betrachtungsposition und Lichteinfall unterschiedliche Erscheinung der Gem\u00e4lde. Es kommt schlie\u00dflich hinzu, dass aufgrund der bis zu zehn \u00fcbereinander liegenden Farbschichten, die die Gem\u00e4lde konstituieren, unterschiedliche Intensit\u00e4ten innerhalb des jeweils gew\u00e4hlten Farbtons wahrnehmbar werden. Damit kommen weitere, das Bild differenzierende Elemente ins Spiel, die in der Zusammenschau mit seiner komplexen physischen Struktur seine Wahrnehmung vor eine immer wieder neue, nicht abschlie\u00dfbare Wahrnehmungsaufgabe stellen.<\/p>\n
Als Ergebnis dieser malerischen Operationen lassen die Gem\u00e4lde von Christiane Conrad ein Bild der jeweils gew\u00e4hlten Farbe entstehen. Mit dieser Formel soll zum Ausdruck kommen, dass die Gem\u00e4lde das, was sie sind, zur Darstellung bringen, n\u00e4mlich den eigent\u00fcmlichen Doppelcharakter der Farbe als einerseits (physisches) Material, als paint, und andererseits als immaterielle Erscheinung dieses Materials, als Farbton, als color, die erst und nur in der Anschauung zur Wirkung kommt. Dieser zwief\u00e4ltige Charakter, der das Besondere der Farbe ist und \u2013 abgesehen von Naturerscheinungen wie dem Blau des Himmels oder dem Spektral des Regenbogens \u2013 \u00fcberall vorkommt, wo wir Farben wahrnehmen, kann allerdings erst da zum Thema und zum Bild werden, wo Farbe nicht als Zeug instrumentalisiert, sondern in eine Form gebracht wird, die sie, wie in diesen Gem\u00e4lden, als eine autonome Substanz zu Geltung bringt. Welch ein unendlich weiter und nuancierter Farbraum auf diese Weise zum Leben und Erleben gebracht werden kann, dies demonstriert die K\u00fcnstlerin in ihrem der Erforschung unterschiedlicher Farben und Farbt\u00f6ne gewidmeten Werk in beeindruckender Weise.<\/p>\n
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Michael Fehr Zu den Gem\u00e4lden von Christiane Conrad Bei der Betrachtung der Gem\u00e4lde von Christiane Conrad sieht man sich, gleich welchen Farbton sie ihren Werken gibt und in ihnen moduliert, immer mit Farbigkeit als einer unmittelbaren Erscheinung konfrontiert \u2013 und von ihr zugleich wie gefangen genommen. Christiane Conrads Gem\u00e4lde faszinieren als Bilder der Farben, die<\/p>\n
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